Dienstag, 8. Februar 2011

Zwischendurch.




An dieser Stelle soll heute Zeit für ein Anliegen sein. Eine Petition, die ich demnächst zur Unterschrift gerne würde bereitlegen wollen. Der Inhalt meiner Forderung ist simpel: Die Zeit von Januar bis zum Beginn des Aprils sollte abgeschafft werden. Endgültig. Das tut mir jetzt auch leid für all die Menschen, die in dieser Zeit Geburtstag haben, Hochzeitstage feiern wollen oder sich mit nasskalter Witterung, Eis auf Autoscheiben und dem Ausbleiben von adäquater Helligkeit bestens arrangieren können. Dabei ist es ja nicht nur das Wetter und die missmutige Stimmung der meisten Leute, die im Schneeregen an einem vorbeihuschen. Es ist die eigentlich ereignislose Zeit an sich, die mir ganz gehörig auf die Nerven geht. Die Vorfreude auf Weihnachten und das Elektrisierende an Silvester sind längst vorbei, der Frühling noch lange nicht da, das Leben rumpelt ohne erkennbare Höhen oder Tiefen an einem vorbei. Nicht dass mir langweilig wäre, aber wenn ich schon nicht weiß, was ich gerade auflegen soll, ist das ein Alarmzeichen. Nicht orange, sondern rot. Blinkend. Und dazu kann man sich eine schrille Sirene vorstellen, einen in jeder Hinsicht verstörenden Ton. 

Jede Jahreszeit hat ihren eigenen Soundtrack. Natürlich sind die einzelnen Songs auch immer mit besonderen Ereignissen oder Lebensphasen verknüpft, aber manche Platten haben einfach durch ihren Klang ihren eigenen Kalender. Warum ich die Beatles ausschließlich im Dezember höre, kann ich auch nicht sagen. Nie im Leben käme ich auf die Idee, Fleetwood Mac im Oktober aufzulegen oder nach dieser tollen Live-Aufnahme von Tony Bennett zu suchen, wenn ich in Flip-Flops vorm Plattenschrank stehe. Die Zeit von Januar bis Anfang April jedoch, hat keine eigene Musik und verschwindet sang- und klanglos im Nichts. Man ist Neuerscheinungen auf Gedeih und Verderb ausgeliefert, hofft auf Rettung. Und weiß ja doch, dass man selbst angesichts eines neuen, fantastischen Albums in ein paar Jahren keinen zeitlichen Fixpunkt dafür benennen kann. Die Verzweiflung nähert sich dem Höhepunkt, wenn den ganzen Tag das Radio läuft. Und man sich Katy Perry hilf- und wehrlos ausgeliefert hat. 

Es sind noch 40 Tage bis zum Frühlingsanfang. Mit etwas Glück klettert das Thermometer dann über die 15°-Marke, was für mich persönlich einen sicheren Griff vorm Plattenspieler nach sich ziehen wird. Es ist schon ein paar Tage her, dass ich in meinem ersten Auto, einem Citroen 2CV, an einem Frühlingsmorgen am Straßenrand stand. Zivildienst, Pause zwischen zwei Patienten in der Frühschicht einer Sozialstation. Ich hörte mich durch "Mainstream" das wunderbare, dritte Album von Lloyd Cole & The Commotions, die Sonne schien durchs aufgerollte Dach, das Wochenende lag vor mir, der Ersatzdienst war nach 19 Monaten fast vorbei. Mit dieser Musik schien für mich alles möglich. 

Der von und zu Guttenberg hat ja jetzt den Dienst am Lande abgeschafft. In meiner romantischen Vorstellung steht trotzdem auch nächstes Jahr im Frühling wieder ein junger Kerl in einem alten Auto irgendwo am Straßenrand und freut sich, von Musik beflügelt, auf alle kommenden, offenen Türen. In meinem Wohnzimmer wartet Lloyd Cole jedenfalls schon ganz vorne vor allen anderen Schallplatten und schaut erwartungsfroh in die Zukunft. Mint Condition, selbst nach all den Jahren. Alles hat seine Zeit, manches wird niemals alt.