
Schmerz mit Schleife.
Selbst die heiterste Witzpille wird von Justin Curries erstem Solowerk kaum etwas anderes erwartet haben, als eine Ansammlung überbordenden Herzschmerzes. Del Amitri haben es einem schließlich früher auch nie leicht gemacht. Und obwohl es dem vormaligen Frontmann der herbstlichsten aller Herbst-Bands während seiner bisherigen Schaffensperiode wohl nicht für eine Minute daran lag, landläufigen Erwartungen zu entsprechen, liegt mit What is love for nun genau das vor, was der Titel des Albums verspricht. Gelegenheits-Melancholiker, Quartals-Zyniker und vermutlich eine ganze Menge Mädchen werden aufatmen. Denn alle, die befürchtet haben, dass sich Currie musikalisch vom Del Amitri Fundament entfernt und plötzlich den Experimentalisten oder gar den Rocker heraushängen lässt, dürfen beruhigt seufzen und sich zwischen welkenden Schnittblumen ein weiteres Mal in Musik gewordenem Liebeskummer winden. Der einen allerdings so wunderschön und tröstlich umfängt, wie man es von den Schotten über Jahre hinweg gewohnt war.
What is love for ist eine Soloplatte und gleichzeitig auch wieder nicht. Nachdem Del Amitri 2002 von ihrer Plattenfirma schnöde fallen gelassen wurden, wird nun dem aufmerksamen Credits-Leser nicht entgehen, dass Iain Harvie einen Teil der Stücke arrangiert hat. Die Mitarbeit des besten Bandkumpels aus alten Zeiten betrachtend, ist es kaum verwunderlich, dass es sich bei diesen Songs um das gefühlige Sediment aller Del Amitri Alben handelt. Überdrehte Happy-Songs sucht man vergeblich, stimmungshebende E-Gitarren sind allzu spärlich gesät. Justin Currie, der immer noch singt wie der Prinz der Beladenen und der Gott aller aus Gram gefüllten Gläser, konzentriert sich vorrangig auf seine Stimme neben Arrangements mit Harfen, Mandolinen, Piano und Streichern. Das Schlagzeug setzt erst gegen Ende des zweiten Stückes verhalten ein.
Wo man auch hinhört, präsentieren sich auf What is love for bittere Einsichten. Das Titelstück endet nach der Allgemeinbetrachtung aller Fallstricke der Liebe als persönliches, disparates Gefühl: What do I do with love I can’t use for her anymore? Where do I put this beautiful suit another man wore? Zwischen den Zeilen von Not so sentimental now ist das Herz schon längst gebrochen und Currie fegt, wissend dass geschlagene Wunden vernarben, in aller Ruhe ein paar Scherben zusammen. Something in that mess und besonders If I ever loved you erstrahlen im Abglanz einer nicht für die Ewigkeit bestimmten Beziehung. Only Love tröstet mit Mandolinen und Streichern über die Erkenntnis hinweg, dass der bevorstehende Tod gegenüber Liebeskummer doch nur ein Waldspaziergang ist.
Ohnehin weiß Justin Currie nur zu gut, dass bestimmte Worte in bestimmten Situationen mehr grausames Potential in sich tragen, als eine Horde Erstklässler. Und wäre die brutale Wahrheit dieser Platte nicht in so viel heilendem Balsam instrumentiert, hätte man vermutlich mit einem entsprechenden Hinweis auf dem Cover davor warnen müssen, dass suizidal veranlagte Menschen die Finger von What is love for lassen sollten. Erst am Schluss lenkt Currie vom höchstpersönlich empfundenen Schmerz ab und betrachtet das Universum der modernen Welt in No surrender. Auf durchaus resignative Weise versteht sich und Vergleiche mit den Anfängen der Del’s bei Nothing ever happens kommen nicht von ungefähr. Nach dem Verhallen von What is love for bleibt dennoch das Wissen darum, dass es angesichts der nächsten seelischen Notlage wenigstens einen Menschen geben wird, der verstehend nickt und wortlos das Gästebett bezieht. Eine Harmonie gewordene Erkenntnis, dass das Herz zwar zerreißen, aber möglicherweise durchaus gesunden kann. Regenerationsfähigkeit in Noten. Musik mit Heilwirkung. Gibt's demnächst vielleicht auf Rezept.