Dienstag, 21. September 2010

Lloyd Cole · Broken Record

Erstklassiges vom ewigen Zweiten.

Fast 25 Jahre ist es her, dass Lloyd Cole – damals noch mit seiner Begleitband „The Commotions“ – in Hannover auftrat. Mit „Easy Pieces“ war damals das zweite Album des Schotten erschienen und trotz fabelhafter Live-Adaptionen von „Forest Fire“ oder „Brand New Friend“ gingen während des Auftritts einige Menschen in der Mittagssonne lieber Bier holen oder fortbringen. Man muss natürlich erwähnen, dass Lloyd Cole damals u.A. neben musikalischen Zweitagsfliegen wie Katrina & The Waves als Stimmungsmacher für BAP fungieren musste. Ohne veritablen Chart-Hit im Gepäck stand man bei einem Ereignis dieser Art 1986 mit ziemlich kurzen Hosen da. Aus heutiger Sicht könnte man es sich leicht machen und sagen, der weitere Karriereverlauf Lloyd Coles hätte mit jenem Sommertag im Sportpark eine Menge gemein. Alles andere als ein Promoter in eigener Sache, wurde Lloyd Cole nach der Trennung von den Commotions und der Übersiedelung auf die andere Seite des Atlantiks eher zum Überlebenskünstler, als zum Star. Der ewige Zweite des Wettbewerbs ging seinen Weg völlig unbeirrt von den Strömungen der Zeit, veröffentlichte in regelmäßigen Abständen tolle Platten, war nie wirklich präsent, aber immer da. So wie einer dieser Läden, die man an Strandpromenaden findet und in denen es auch 30 Jahre nach der eigenen Kindheit unverändert nach Sonnencreme, Schwimmflügeln und Süßigkeiten duftet. Das große Publikum hat Lloyd Cole niemals erreicht. Dafür aber eine kleine, eingeschworene Fangemeinde um sich geschart, die ihm seit Anbeginn der Laufbahn die Treue hält.

Von eben dieser Community ließ sich Lloyd Cole in Ermangelung eines Major-Deals das neue Werk per Website-Aufruf vorfinanzieren. Plus Eigenleistung und Finanzspritzen durch mehrere kleinere Labels in den jeweiligen Ländern, konnte „Broken Record“ schließlich erscheinen. Nicht auszudenken, hätte diese Strategie des blinden Vertrauens in den Künstler versagt – schließlich ist auch das zehnte Soloalbum des ehemaligen Philosophie-Studenten erneut wunderbar geraten.

Wie ein pechschwarzer Faden durchzieht ein unverwechselbares Merkmal das Gesamtwerk von Lloyd Cole und auch auf „Broken Record“ werden bittere Wahrheiten in manchmal durchaus fröhlichen Melodien verpackt. Neu in seiner an musikalischen Facetten durchaus reichen Charakteristik sind lediglich die Country-Anleihen, die schon den Titelsong mit Pedal-Steel und Banjo bereichern. Ein Stück wie „Writers Retreat“, zu dem sogar ein Musikvideo erschien, wäre früher viril und ungestüm von Gitarren geleitet worden – in dieser Dekade lässt Cole eine Mandoline diesen Job erledigen. Überhaupt wird bei den 11 neuen und relativ kurzen Songs größtenteils auf drängende Hooklines oder schnelle Kehrtwenden verzichtet, was dem gesamten Album eine überaus entspannte Atmosphäre verleiht. „If I were A Song“ schunkelt mit Nashville-Insignien daher, „That’s Alright“ könnte man fast als Rock bezeichnen, hätte Lloyd Cole nicht diese eine Musikrichtung stets mit einigen Metern Abstand betrachtet und auf seine ureigene Weise interpretiert.

Wie zeitlos die Kunst dieses Mannes ist, offenbaren vor allem Songs wie „Oh Genevieve“ oder „Double Happiness“, die mit marginal veränderten Arrangements genauso gut aus dem Jahr 1986 stammen könnten. Dabei kopiert sich Lloyd Cole keinesfalls selbst, sondern folgt einfach unbeirrt seinem Weg, der ihn wie seit Anbeginn sicher an den Volten musikalischer Kurzlebigkeit vorbei durch sicheres Fahrwasser geleitet. Die Stationen die er dabei macht, werden auch in Zukunft das sein, was sie immer waren. Wirklich wertvoll.