
Americana für Anfänger.
Es gibt Ankündigungen, vor denen hat man als von Musik begeisterter Mensch glattweg Angst. Die Kollaboration bei Tired Pony versprach zumindest im Vorfeld nicht unbedingt Gutes: Gary Lightbody, seines Zeichens Sänger der von Krankenhausserien gern zitierten Snow Patrol, wollte gemeinsam mit einigen prominenten Vertretern der Zunft ein »von seiner Liebe zu Wilco« inspiriertes Album in die Läden bringen. Da beschleicht einen schon ein irgendwie ungutes Gefühl, auch wenn der Cover-Aufkleber die Teilnahme durchaus honoriger Persönlichkeiten verkündet: Peter Buck von REM, Belle & Sebastian-Drummer Richard Colburn, Tom Smith von den Mädchenflüsterern The Editors, Produzent Jacknife Lee und einige mehr. Aber wenn dann der Opener des Albums auch noch „Northwestern Skies“ heißt, wird die Befürchtung, dass sich die Protagonisten möglicherweise schwer verheben könnten, doch größer als die Vorfreude. Die Klischee-Warnlampe blinkt und man fragt sich unweigerlich, wie dieser Betriebsausflug ins Alternative-Country-Land denn wohl aussehen mag. Wie Coldplay mit Sheriffstern?
Dann aber doch Entwarnung und sogar eine kleine Überraschung: die 10 Songs auf „The Place We Ran From“ sind erwartungsgemäß versiert hervorgebracht, klingen aber dabei erstaunlich lässig. Natürlich dockt die Stimme von Lightbody an die gleichen, gewohnten Synapsen an und es fällt natürlich auch nicht leicht, beim Hören der ersten Zeilen des Openers zu vergessen, dass der Frontmann sein Zuhause im Formatradio hat. Insofern ist „The Place We Ran From“ anfangs anstrengend, wenngleich die Musik selbst durchaus fließend und souverän daherkommt. „Get on the Road“ besitzt eine hübsche Coda mit Stoner-Rock-Anleihen, „Point Me At Lost Islands“ gefällt mit Gitarren, Mandolinen und Fiedel in Saloon-Atmosphäre und „That Silver Necklace“ mit einem verschleppten Schlagzeug. Spätestens dann hat man auch Grey’s Anatomy fast vergessen.
Klar: „Held In Your Arm Of Your Words“ könnte auch Gary Lightbodys üblicher Kostenstelle entstammen, „Dead American Writers“ fällt nach wenigen Sekunden als charttauglich auf und das von Iain Archer gesungene „I Am A Landslide“ klingt etwas bemüht. Aber durchaus schön und weniger nach Wilco, als nach Mike Oldfield. Kann man ja auch mal machen. Insgesamt spürt man bei Tired Pony durchaus die Inspiration, auch wenn sie sich nicht in jedem Song offenbart und es werden in Zukunft möglicherweise ganze Jahre vergehen, in denen man „The Place We Ran From“ nicht auflegen wird. Aber wer weiß – vielleicht verliebt sich der eine oder andere Mensch zufälligerweise zu den Klängen von „The Good Book“ oder „The Deepest Ocean There Is“ und behält Tired Pony in steter, ja ewiger Erinnerung. Mehr kann man von Musik sowieso kaum erwarten. Solide Arbeit. Mission accomplished.